Das Zweite, das an dem Motorrad auffällt, ist die enorme Sitzhöhe. Ich bin zwar kein Riese, aber klein bin ich mit 1,82 auch nicht. Die KTM hat eine Sitzhöhe von 945mm. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Dank der schmalen Sitzbank geht das in der Ebene noch, aber in Steigungen werden die Beine schnell relativ kurz. Man sollte sich dann zumindest entscheiden, welches Bein man gerne auf dem Boden hätte, denn beide gehen definitiv nicht. Für die enorme Höhe bekommt man als Gegenleistung eine riesige Bodenfreiheit und ein tolles, aus dem Rallye und Endurosport entlehntes WP-Fahrwerk mit vielen Einstellmöglichkeiten und super Charakteristik. Die Federwege dieses Fahrwerks auszuloten traue ich mich nicht wirklich.
KTMs LC4 Motor hat in dieser Baureihe der Adventure 625 cm³ und leistet serienmäßig 54 PS. Das finde ich für den Offroad- und Landstraßeneinsatz großteils ausreichend. Der große Eintopf flößt schon im Stand Ehrfurcht ein, denn man spürt die Schläge im Boden auch noch in einen Meter entfernt. Blöderweise spürt man dieses Ruppige, dass der Motor nun mal hat auch während der Fahrt – man sieht es sogar: Die Vibrationen führen z.B. dazu, dass abhängig von der jeweiligen Resonanzfrequenz in manchen Bereichen die Anzeigen oder Spiegel nicht mehr zu gebrauchen sind. Als Sportgerät, das die KTM ursprünglich war, wäre das nicht so wichtig. Wenn man aber mehrere hundert Kilometer am Stück fährt, dann gehen die Vibrationen echt an die Substanz.
Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, machte mir die Kupplung etwas Probleme. Anfangs pappte Sie morgens fest, nur um dann Abends durchzurutschen. Neue Beläge und härtere Federn lösten das Problem. Danach war die Kupplung aber deutlich schwergängiger – natürlich war sie das mit härteren Federn, was hatte ich auch erwartet. Die Kupplung aber längere Zeit zu halten, war jetzt eine echte Herausforderung. Wirkung und Schleifpunkt waren aber in Ordnung.
Der Motor der LC4 ist für die Zeit relativ hochgezüchtet und möchte daher gerne ordentlich warm gefahren werden, bevor es dann richtig zur Sache geht. Da ich mit der LC4 ab März praktisch durchgehend schon in der Früh zur Arbeit fuhr und "warm" sowieso ein dehnbarer Begriff ist, wollte ich ein Ölthermometer haben. Die Standardlösung hierfür wäre ein Ölthermometer für den Peilstab gewesen aber
1. Kann man dank des Tanks nicht einmal den serienmäßigen Peilstab problemlos herausziehen geschweige denn, dass man ihn während der Fahrt sehen könnte.
2. Sind Standardlösungen doch irgendwie langweilig.😎
Stattdessen habe ich mir eine Lösung gebastelt, mit der ich einen digitalen Temperaturfühler fest am Motor installieren konnte. Der Motor hat Serienmäßig ein EPC verbaut, dass aus Emissionsschutzgründen im ersten und zweiten Gang die Motorleistung drosselt. Zu meiner LC4 habe ich das Teil in einem kleinen Karton dazubekommen, was sicher die absolute Ausnahme ist. Normalerweise wandern die Dinger direkt in die Tonne. Jedenfalls benötigt das EPC die Information, welcher Gang eingelegt ist, daher hat der Motor nicht nur einen Schalter für die Leerlaufanzeige, sondern noch zwei weitere für den ersten und zweiten Gang. Die Schalter sind in Form von Kontaktschrauben ausgeführt, von denen ich eine entfernt und durch eine Kunststoffschraube mit eingeklebtem Temperatursensor ersetzt habe. Dann noch das Ganze mit einer Anzeige verbunden und fertig.
Damit wären wir beim nächsten Thema, dem Cockpit. Um die Temperaturanzeige und ein Navi unterbringen zu können, musste erst noch ein Haltebügel her. Den gibt es auch von KTM zu haben, aber wie gesagt, Selbermachen macht Spaß und das ist ein recht einfaches Teil. Die Temperaturanzeige sowie eine Ladestandanzeige für die chronisch leere Batterie bekamen einen gemeinsamen Halterahmen und fertig war mein Cockpit. Der Tripmaster basiert scheinbar auf einem Design von Touratech und wurde dort auch schon einmal repariert, denn beim Vorbesitzer war das Display kaputtgegangen. Zuletzt habe ich noch die Glühlampen der Signalleuchten durch LED ersetzt, damit man sie auch bei Sonneneinstrahlung noch erkennen kann.
Da ich auch nach längerer Suche keinen bezahlbaren Kofferträger auftreiben konnte, habe ich mich auch hier für einen Eigenbau entschieden. Der Träger basiert auf Rohlingen von Touratech, die ich pro Seite an drei Stellen befestigte: An den Soziusfußrasten, am Gepäckträger und am Kennzeichenhalter. Das Design ist wegen des Auspuffs leicht Asymetrisch, mir war es aber wichtiger, das Gewicht möglichst nah am Motorrad zu haben.
Die Schweißnähte fallen in die Kategorie "Zweckmäßig", halten aber zumindest genug, um das Motorrad dran hochzuheben. Für die Koffer habe ich mir eine Aufnahme gebaut, die an das System der Zega-Koffer angelehnt war. Das komplette Motorrad mit zwei Aluboxen wurde mir aber insgesamt ziemlich breit. Rückblickend kann ich auch nicht mehr genau sagen, warum ich mich für Alukoffer entschieden hatte – heute tendiere ich eher zu Packtaschen, vor Allem für leichte Motorräder wie die KTM es zweifellos ist.
Eigentlich hatte ich für den Winter eine ganze Reihe von Umbauten an der Adventure geplant: Steuergerät durch ein neueres ersetzen, das auf Low Octane umgestellt werden kann, zweiter Kühlerventilator für die richtig heißen Tage, offene Ritzelabdeckung, Zusatzscheinwerfer,...
Bevor ich damit loselegen wollte, war aber erstmal der ganz normale Service fällig. Dabei hat mein Bruder zufällig nicht gerade wenig Öl im Kühlwasser gefunden und die Experten wissen: Das gehört da nicht hin!
Jetzt ging bei mir das Gegrübel los. Ist es die Zylinderkopfdichtung oder die Wasserpumpe? Beides wären keine Großen Baustellen, aber was kommt als Nächstes? Zu diesem Zeitpunkt hatte der Motor über 65000 km gelaufen und war damit eigentlich für eine Überholung fällig (eines der Dinge, die mir beim Kauf nicht so richtig klar gewesen waren). Soll ich es selbst versuchen oder machen lassen? Alles erneuern oder nur den Kopf? Fragen über Fragen...
Eigentlich hatte ich mich schon entschieden, den Motor bei einem Instandsetzer komplett überholen zu lassen. Dieser hat es dann aber geschafft, fas drei Monate lang keinen Finger an den Motor zu legen, sodass ich zu Saisonbeginn noch immer ohne Motor war. Also habe ich den Motor wieder abgeholt – außer dass er Staub angesetzt hatte, hatte sich nichts getan – und habe in Eigenregie der Wasserpumpe und dem Zylinderkopf mit neuen Dichtungen und Lagern verpasst. Das Ganze hat mich mit Einbau des Motors insgesamt nicht einmal ein Wochenende gekostet, sodass ich mich geärgert hatte, es nicht gleich selbst gemacht zu haben und sie lief danach sogar wieder.😉
Trotzdem blieb das untere Ende des Motors für mich eine unbekannte und ich war unsicher, ob ich damit auf längere Touren gehen wollte. Zusammen mit der Befürchtung, dass meine vielen Kurzstrecken dem Motor zugesetzt hatten, hat das dazu geführt, dass ich mich nach Alternativen umschaute und dann bei Yamaha fündig wurde. Nachdem ich ein Jahr lang eine reinrassige Offroad-Maschine besessen hatte und es trotzdem nicht ernsthaft ins Gelände geschafft hatte, habe ich mich etwas vorschnell von dem Gedanken an Schotterpisten und Waldwege getrennt und mich für eine reine Straßenmaschine entschieden. Rückblickend keine ganz falsche Entscheidung, aber bei Leibe auch nicht ganz richtig.