Pünktlich um 7:00 Uhr wollte ich auf der Straße sein. Leider hatte beim Packen eine Schnalle an meinen Taschen ihr Leben ausgehaucht und so durfte ich zehn Minuten damit verbringen, den entsprechenden Gurt (semi-) permanent zu vernähen. (Zur Info: Ich kann gar nicht nähen.😅) Dennoch stand ich pünktlich um acht Uhr beim Reifendienst und knappe 40 Minuten später war ich endlich erstmals in der richtigen Richtung unterwegs.
An Tag eins wollte ich nicht den Fehler vom Vorjahr wiederholen und mir gleich ein zu großes Stück vornehmen, daher war für diesen Tag nur ca. die Hälfte der 1000 km bis nach Cherbourg vorgesehen. Die Nacht verbrachte ich auf einem kleinen, abgelegenen Campingplatz zwischen Reims und Laon. Camping du Moulin ist eigentlich eine satte, grüne Wiese mit Rezeption und einer Hecke drum herum.😁 Da der Platz aber etwas abseits liegt und auch nicht besonders groß ist, hatte ich eine sehr ruhige Nacht. Nachdem ich einen lächerlichen Beitrag für mein Zelt gelöhnt hatte, (ca. 6€) war ich gegen 9:00 Uhr schon wieder unterwegs. Ich muss dazu sagen, dass die Anreise bis in die Normandie für mich reines Kilometerfressen war. Ich finde diesen Teil von Frankreich landschaftlich nicht besonders schön oder abwechslungsreich, daher habe ich mich großteils an die Schnellstraßen gehalten und lediglich Tankstopps eingelegt.
Das änderte sich erst ab ca. Höhe Rouen, denn ab dort hielt ich mich an die Küstenstraßen. Da es jetzt nicht mehr ganz so schnell voran ging, musste ich ein bisschen umdisponieren und statt in der Nähe des Mont-Saint-Michel zu campen, machte ich für diese Nacht am Omaha Beach halt. Direkt oberhalb des Strandes auf den Klippen liegt ein schöner Campingplatz und mit einem kleinen Zelt kommt man sogar problemlos in den Genuss eines Platzes in vorderster Reihe. Meerblick und eine schöne Brise inklusive. Da es noch nicht zu spät war, als das Zelt stand, nutzte ich die Zeit für einen Strandspaziergang und fürs Abendessen. Vom Campingplatz führt in schmaler Fußweg zum Strand. Wie steil dieser ist, bemerkt man erst wirklich, wenn man ihn wieder hinaufsteigen muss. Am Rand des Weges erkennt man noch einige Bunkeranlagen aus dem Zweiten Weltkrieg. Abgesehen davon sind die Spuren des Krieges relativ dezent aber doch allgegenwärtig.
Am Strand findet man vor allem Landungsanlagen der Amerikaner, darunter ein langer Steg und einige schwimmende Wellenbrecher, die vor der Küste einst einen behelfsmäßigen Mulberry Hafen gebildet haben. Von den ehemaligen Verteidigungsanlagen ist dagegen nur noch wenig zu sehen bzw. 75 Jahre später lässt sich für das ungeschulte Auge nicht mehr erkennen, welche der Bauten deutsch, amerikanisch oder französisch waren – und ich finde, dieser Gedanke hat etwas Schönes.
Der Morgen von Tag drei führte mich zuerst an den Point du Hoc. Der Point du Hoc war/ist eine stark befestigte Bunkeranlage, die die Normandiestrände überblickt und daher am D-Day von strategischer Bedeutung war. Dementsprechend musste sie unter enormen Verlusten von den Alliierten eingenommen werden. Anders als am Omaha Beach ist hier sehr wohl noch das ganze Ausmaß der Kämpfe erkennbar. Die riesigen Granattrichter grenzen praktisch aneinander und überziehen die gesamte Fläche der Anlage. Allein der Gedanke, die steilen Klippen hochklettern zu müssen ist furchterregend.
Nach diesem frühen Zwischenstopp ging es entlang der Küste bis nach Cherbourg. Da ich reichlich früh dran war. Nutzte ich die übrige Zeit, um im Zentrum von Cherbourg in Ruhe zu Mittag zu essen. Danach hatte ich noch immer etwas Zeit, um mir die östlichen Hafenanlagen der Rade de Cherbourg anzuschauen – der lange Zeit größten und noch heute zweitgrößten künstlichen Reede der Welt. Richtung 14:00 Uhr machte ich mich dann langsam auf zum Fährterminal von Irish Ferries und war damit immer noch deutlich früher als nötig. Mangels Fährerfahrung wusste ich es aber nicht wirklich besser.
Während des Wartens unterhielt ich mich mit einigen irischen Fahrern, darunter John aus Galway, der mir einige nützliche Tipps für Sehenswürdigkeiten mit auf den Weg gab (dazu später mehr). Nachdem wir dann mehrfach in neue Bereiche des Hafens durchgelassen wurden, nur um dann nochmals jeweils ca. 30 Minuten zu warten, ging es dann endlich an Bord der Fähre
Mir war nicht bewusst, dass mein Schiff für die Hinfahrt, so modern sein würde, doch mit der W.B. Yeats hatte ich einen absoluten Glücksgriff gemacht. Die Fähre ist praktisch brandneu (Indienststellung Januar 2019 laut Wikipedia), hat so ziemlich alles, was man sich auf einer Überfahrt wünschen würde und ist trotz der Größe noch sehr übersichtlich. Was mich verwirrt hatte, war, dass im Rahmen der Buchung die Epsilon als neuester Flottenzuwachs bezeichnet worden war, also das Schiff für die Rückfahrt.
Bevor ich zu meiner Kabine konnte, musste ich noch die MT verzurren. An Bord stehen dafür massive Ratschengurte bereit, doch da die MT keinen Hauptständer hat, fühlt sich das Festzurren etwas komisch an. Man arbeitet gegen das Federbein und ich hatte gleichzeitig Sorge, den Gurt nicht fest genug zu haben und Angst, den Seitenständer zu verbiegen. Während der gesamten Überfahrt war die See dann aber derartig spiegelglatt, dass ich den Gurt genauso gut hätte weglassen können, ohne dass sich das Motorrad auch nur einen Millimeter bewegt hätte. Unter anderem auch wegen des guten Wetters hatte ich auf W.B. Yeats eine besonders angenehme Überfahrt und ein angenehmes Abendessen, das übrigens auch preislich vollkommen im Rahmen liegt, sofern man sich an das Selbstbedienungsrestaurant hält, statt im à la carte Restaurant ein Mehrgänge Menü zu ordern.🤣
Kurz nach Mittag des Folgetages landeten wir in Dublin. Während ich mein Gepäck wieder auf die MT packte, bekam ich von den Irischen Fahrern noch den Hinweis, dass filtering (anderswo auch lane splitting genannt) in Irland legal sei und ich mich einfach an die Einheimischen halten sollte. Also ging es durch den ganzen Verkehr und obwohl wir als letzte vom Schiff konnten war ich innerhalb weniger Minuten auf dem Weg nordwärts in Richtung Belfast.
Als Tagesziel hatte ich die Gegend um Belfast im Auge. Auf jeden Fall wollte ich die Ostseite des Strangford Lough entlangfahren, denn diese Route hatte John mir ans Herz gelegt. Zuerst musste ich mit der Fähre von Strangford nach Portaferry übersetzen. Danach ging es entlang der Küste teils nur wenige Meter vom Wasser entfernt. Über all der Fahrerei hatte ich ganz vergessen, mich um eine Unterkunft zu kümmern und irgendwie konnte ich im Bereich Newtownards keine vernünftige Bleibe finden. Die vorher allgegenwärtigen B&Bs waren auf einmal alle verschwunden?! Nachdem Google Maps und TripAdvisor irgendwie nichts Ordentliches ausspucken wollten, wurde ich bei Airbnb fündig. Ich hätte zwar schwören können, dass die Unterkunft auf der Karte deutlich weiter nördlich lag, aber tatsächlich musste ich wieder knappe 50 km zurück nach Süden – immerhin hatte ich so die Möglichkeit, auf das Westufer des Strangford Lough zu erkunden.
Kurz nach fünf Uhr kam ich an meiner Unterkunft an und nach kurzem Suchen und einer Unterhaltung mit dem Nachbarsjungen hatte ich dann auch das richtige Haus gefunden. Nachdem ich mein Gepäck abgeladen und mich umgezogen hatte, ging es noch kurz zum Abendessen in die Stadt. Dabei hatte ich meinen ersten und auch einzigen Aussetzer was das Thema Linksverkehr angeht. Glücklicherweise noch im Wohngebiet, da ich gerade noch mit dem Navi beschäftigt war – egal, hat keiner gesehen.😅
Abends noch kurz die Planung für den nächsten Tag gemacht und eine Unterkunft in Derry gebucht und dann ging es nach etwas Lesen in die Falle. Der nächste Tag sollte wirklich vielversprechend werden.
Hier geht es zu Teil III (sobald verfügbar)